Wie die Erbgerichte entstandenIn vielen Ortschaften führt das Hauptgut meist den Namen Erbgericht. Oft gehört noch eine Gastwirtschaft dazu. Wie ist dieser Namen Erbgericht entstanden? Die ältesten "Erbgerichte" verdanken ihre Entstehung einer Zeit, in der unsere Heimat nur sehr schwach bevölkert war. Jeder Grundherr war daran interessiert, dass sich sein Gebiet nicht zu einer wüsten Gemarkung entwickelte, sondern besiedelt wurde. Dies wird wahrscheinlich im 11. und 12. Jahrhundert gewesen sein. In dieser Zeit kamen die ersten Siedler aus dem Westen (Rheinland, Hessen und Franken), um sich neues Land in unserer Gegend zu erschließen, um frei zu sein von hohen Abgaben und Übervorteilungen in den übervölkerten westlichen Landen. Unser Dorf Schellenberg wurde wahrscheinlich zuerst von der Mündung des Lohbachs (Dorfbach) über die "Lohe" heraus besiedelt. Die ersten Bauerngüter werden links und rechts des jetzigen Dorfbaches entstanden sein. Es wird vermutet, dass in der Lohe vermutlich in der Nähe des Olymps, ein Vorwerk gestanden haben soll, in dem sich die Herren von Schellenberg (Wolfram und Ullrich von Schellenberg) zunächst ansiedelten.
Abbildung: Schellenberg mit Blick auf die Augustusburg (von der Kirche aufgenommen) eventuell in den 30-iger Jahren fotografiert [rechts hinten Mitte unter den Bäumen - das Erb- oder Lehngericht]Später sind sie dann von dort auf den Schellenberg, der heutigen Augustusburg gezogen und haben dort ihre Burg Schellenburg errichtet. Die beiden Schellenbergs waren reichsunmittelbare Ritter und vertraten in der hiesigen Gegend den Kaiser. Später wurden sie wegen Überfällen des Klosters Altzella bei Nossen geächtet. Die Schellenburg kam an die Wettiner. Zur Unterscheidung der Schellenburg wurde der Flecken unter der Burg "shellenbergk antiqua" Altschellenberg genannt. Aus der Zeit der Besiedlung im 11. und 12. Jahrhundert ist uns leider nichts überliefert worden, so dass nur Vermutungen angestellt werden können. Ab dem Jahre 1501 wurde das sogenannte "Türkensteuerregister" aufgestellt. Dadurch sind uns erste Namen bekannt. Es wurden sämtliche Einwohner aller Städte und Dörfer des gesamten Deutschen Reiches erfasst. Je nach Stand und Besitz mussten sie Steuern abführen. Diese Abgaben wurden zur Finanzierung des Krieges gegen die Türken, die in dieser Zeit in Mitteleuropa eingefallen waren, verwendet. Namentlich wurde der "Erbrichter" nicht benannt, sondern nur mit "Der Richter" bezeichnet. Ob es nun sein Name war, ist nicht bekannt. Das "Erbgericht in Dorfschellenberg" stand damals auf dem Gelände des heutigen Betriebes der Firma Nürnberger. Es brannte in den 70-iger Jahren völlig ab. Heute stehen Reihenhäuser an dieser Stelle. Die übrigen Gebäude nutzt die Firma Nürnberger. Der ehemalige "Netzschuppen" wird als Frühstücks- und Veranstaltungsraum genutzt. Der "Erbrichter" war der wohlhabendste und größte Bauer im Dorf. Er führte im Ort die Aufgaben eines Ortsvorstehers aus und war somit die Person, welche die "niedrige Gerichtsbarkeit" innehatte. Der Richter hatte die Aufgabe, sämtliche rechtlichen Sachen der Dorfbevölkerung mit dem Gerichtsamt auf der Augustusburg zu klären, wie zum Beispiel kleinere nachbarliche Rechtsstreitigkeiten oder auch Steuersachen. Im "Erbgericht" wurden sämtliche privatrechtlichen Geschäfte verhandelt und ins Gerichtsbuch (Das Gerichtsbuch war das Grundbuch des Ortes, welches er führen musste) eingetragen. Dazu zählten Käufe, Verkäufe, Tauschgeschäfte, Hinterlassungsangelegenheiten, Besitzstreitvergleiche, Ehegenehmigungsanträge usw., auch mit Waldfrevlern und normalen Dieben hatte er es zu tun. Der "Erbrichter" führte die polizeiliche Aufsicht über verhängte Strafen und musste die dabei ausgesprochenen Strafgelder eintreiben.
Abbildung: Kopie vom Siegel der Gemeinde und vom Gerichtsamt (Erbrichter) Dorfschellenberg gg. 1830Quelle: aus den Akten der Gemeindeverwaltung Dorfschellenberg (Archiv des Landratsamtes Freiberg)Die Einnahmen seines Amtes, Strafgelder, Zinsen, Abgaben der Bauern sowie auch der Zehnt, gehörten zu einem "zehnten Teil" ihm. Die Amtsgeschäfte wurden in der Wirtsstube abgewickelt, es erschien der Amtsrichter des Amtsgerichtsbezirkes in Augustusburg oftmals im "Dorfschellenberger Erbgericht". Im Jahre 1839 wurde ein Gemeindevorstand gewählt und eine Gemeindevertretung aus Mitgliedern der Ortsgemeinschaft eingesetzt. Damals war "Christoph Adam Klotz" der Erbrichter, von dem "Friedrich Ehregott Klotz" 1842 das Amt übernahm. Ab 1863 hatte dann "Ludwig Hermann Linke" die Position des Erbrichters inne. Letztmalig wurde in Dorfschellenberg im Jahre 1888 ein Erbrichter erwähnt. Mit dem "Gerichtsverfassungsgesetz" vom 11.08.1855 wurde in Sachsen die Erbgerichtsbarkeit abgeschafft. In Württemberg geschah dies bereits 1809 und in den meisten anderen deutschen Ländern hatte sich dies mit der Revolution 1848 sowieso erledigt. Mit der Einführung des "Bürgerlichen Gesetzbuches" wurde die Erbgerichtsbarkeit im gesamten Deutschen Reich hinfällig. Aber die "Schankgerechtigkeit" verblieb dem Erbrichter. Dies bedeutete, dass im Erbgericht dörfliche und private Feierlichkeiten abgehalten werden durften, wie z. B. Hochzeitsfeiern und ähnliches. Der Erbrichter hatte von den Grundherren die Genehmigung Bier auszuschenken, welches er natürlich über den Grundherrn beziehen musste. Meistens hatte der Erbrichter noch eine Fleischerei. Somit konnte er auch die bei ihm stattfinden Feierlichkeiten zusätzlich noch mit Speisen versorgen. Das Erbgericht konnte man somit schon als Gastwirtschaft bezeichnen.
Der Besitzer des Erbgerichts von Dorfschellenberg und seine Leute. Auf dem Bild sind von rechts abgebildet: 1. Luise Pfaff, 2. Minna Gebel geb. Franke, 3. u. 4 nicht bekannt, 5. Gertrud Lohse, 6. Fritz Lohse jun., 7. Friedrich (Fritz) Lohse sen., 7. Ehefrau Frieda Lohse, 8. Frieda Gebel (später Müller). Die restlichen Personen sind nicht bekannt.Quelle des Bildes: Sammlung von Herrn Gerhard Stachly, ChemnitzAls dann im Jahre 1854 der Maurermeister Anke aus Stadt Schellenberg (Augustusburg) ein Stück Land vom Erbgerichtsbesitzer Klotz kaufte und dort einen Gasthof erbaute ging die Schankgerechtigkeit vom Erbgericht an den Gasthof über.
Vielen Dank für den Artikel von Herrn Detlef Biermann und die Dokumente aus der Sammlung von Herrn Gerhard Stachly. Wir möchten uns ganz herzlich bei ihm dafür bedanken.
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